Fans sind gnadenlos - Deisler-Arzt Dr. Nickel ber DRUCK 11FREUNDE

Publish date: 2024-10-31

Dr. Thomas Nickel, über psy­chi­sche Defi­zite wird im Fuß­ball ungern gespro­chen. Wie weit sind Depres­sionen unter Profis ver­breitet?

Rund 17 Pro­zent aller Mensch haben im Leben einmal eine Depres­sion. Die Dun­kel­ziffer unter Fuß­bal­lern ist sicher­lich hoch, den­noch sind Fuss­baller wahr­schein­lich nicht häu­figer von einer Depres­sion betroffen als dies in der All­ge­mein­be­völ­ke­rung der Fall ist. Ein Profi geht schon recht früh durch eine stän­dige, sehr eng­ma­schige Selek­tion. Jemand, der sich auf diesem Weg zu viel zu Herzen nimmt, fällt meist früher durchs Raster.

Den­noch avan­cierte ein offen­kundig psy­chisch labiler Mensch wie Sebas­tian Deisler zu einem Top-Star der Bun­des­liga.

Sebas­tian Deisler war von seinem Talent derart her­aus­ra­gend, dass er sehr rasch die Spitze erreichte, obwohl er von seiner Per­sön­lich­keit her nicht unbe­dingt für dieses Leben geschaffen war.

Was können die Ursa­chen dafür sein, dass ein Kicker ein see­li­sches Tief durch­wan­dert?

Eine Depres­sion ent­steht einer­seits bei Men­schen, die eine gene­ti­sche Ver­an­la­gung dafür mit­bringen. Außerdem sind chro­ni­sche Stress­si­tua­tion für ihr Ent­stehen ver­ant­wort­lich. Das kann bei einem Fuß­baller bei­spiels­weise eine Ver­let­zung sein, die den Spieler Nach­teile in der Selek­tion ver­schafft und ihn in der Situa­tion zudem durch die extreme mediale Auf­ar­bei­tung unter Druck setzt. 

Tragen die Medien so gesehen eine Mit­schuld an einer Depres­sion, die ein Profi erlebt?

Kaum jemand steht mehr in der Öffent­lich­keit als ein Fuß­baller. Vor­stände von Dax-Kon­zernen bei­spiels­weise haben schon x‑mal gezeigt, dass sie sich durch­setzen und Druck aus­halten können, bevor sie derart in der Öffent­lich­keit stehen, aber bei jungen Fuß­bal­lern kann diese Wahr­neh­mung fast über Nacht ent­stehen. Einige sind dem nicht gewachsen. 

Wel­chen Auf­gaben haben die soge­nannten Men­tal­trainer in den Bun­des­li­ga­klubs?

Manche Fuß­baller leider z.B. unter einer Unsi­cher­heit in sozialen Situa­tionen. Diese kann sich etwa auch darin äußern, dass sie Pro­bleme mit Inter­views haben, was den Druck auf den Spieler ver­schärft. Des­halb achten die Men­tal­trainer in den Klubs gerade auch auf solche Defi­zite, um dann gezielt mit den Spie­lern daran zu arbeiten und ihnen die Ver­sa­gens­angst in so einem Sze­nario zu nehmen. 

Gibt es Stra­te­gien, die spe­ziell ein Profi beher­zigen sollte, um psy­chisch stabil seinen Job zu ver­sehen?

Wir raten den Spieler das­selbe, was wir allen Men­schen raten: Lebt ein glück­li­ches Leben mit allem, was dazu gehört: einer Freundin, Kin­dern, Hobbys, damit sich der Hori­zont der Spieler nicht allein auf den Fuß­ball begrenzt. Ganz wichtig: Wenn ein Spieler fest­stellt, dass er bei­spiels­weise Pro­bleme mit der Außen­dar­stel­lung hat, soll er ein Coa­ching oder men­tale Hilfe in Anspruch nehmen. Damit er auch auf diesem Gebiet seine Fer­tig­keiten – und damit auch die Aus­übung seines Berufs – ver­bes­sert.

Depres­sionen im Pro­fi­fuß­ball sind immer noch ein Tabu­thema. Was muss pas­sieren, damit sich das ändert?

Die Fans sind gna­denlos, das haben wir gemerkt, als Sebas­tian Deisler nach seiner Erkran­kung wieder auf das Spiel­feld zurück­kehrte. Was die Fans einiger geg­ne­ri­schen Klubs ihm da hin­terher riefen, möchte ich hier nicht wieder geben. Die Gesell­schaft ist offen­sicht­lich noch nicht so weit, einem Fuß­baller psy­chi­sche Pro­bleme zuzu­ge­stehen.

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